Ein Beitrag von Andreas Hofmeister
Für Kinder ist Halloween zu einem schönen Fest geworden. Da werden gruselige Verkleidungen präsentiert, die Kinder laufen von Tür zu Tür und am Ende wird geschaut, wer die größte Beute hat. Willkommen zur Halloween-Ökonomie.
Kapitalismus: „Zwei volle Beutel sind besser als eine“
Das Ideal:
Eigeninitiative, Freiheit, Wettbewerb! Jedes Kind zieht los, wo und wie es will. Wer schnell ist, clever Route und Wohngegend plant oder das niedlichste Kostüm hat, wird mit prall gefüllten Beuteln belohnt.
Die traurige Realität:
Einige Kinder kommen heim mit Taschen voller Süßigkeiten. Andere haben Pech – vielleicht war ihr Häuserviertel schlecht gewählt oder jemand anderes war schneller als sie. Ein besonders geschäftstüchtiges Kind hat die Idee, andere für sich sammeln zu lassen („Für einen Anteil verrate ich dir die guten Adressen“). Am Ende haben wenige Kinder sehr viel mehr Bonbons als andere, während manche mit leeren Händen dastehen.
Sozialismus: „Alle Süßigkeiten in einen Topf!“
Das Ideal:
Gerechtigkeit für alle! Egal, wer wie viel gesammelt hat, am Ende wird alles zusammengelegt und gerecht verteilt. Niemand geht leer aus, niemand wird benachteiligt.
Die schnöde Realität:
Das klingt super – bis die ersten merken, dass von dem mit viel Eifer erarbeiteten Ertrag kaum etwas bleibt, weil es an Kinder geht, die wenig zum gemeinsamen Topf beitragen und trotzdem viel bekommen. Bald klingelt und sammelt keiner mehr so enthusiastisch, weil sich die Mühe nicht lohnt. Der gemeinsame Topf bleibt halb leer, aber immerhin wird das wenige gerecht verteilt.
Kommunismus: „Gemeinsam sammeln, gemeinsam naschen“
Das Ideal:
Alle ziehen zusammen los, niemand sammelt allein, und am Ende gibt es kein „mein Schokoriegel“ – denn alle sind „unsere Schokoriegel“. Sammeln, teilen, glücklich sein!
Die schäbige Realität:
Fünf Kinder ernennen sich zum ständigen Aktionskomitee und senden die fleißigen Sammler und Geister trotz Warnungen in die wenig bewohnte Karl-Marx-Allee. Aktivisten leiten die Gruppen, entscheiden vor Ort. Die Mühen sind groß, die Beutel aber bleiben fast leer. Nachdem sich das Komitee bedient hat, als wäre Halloween so erfolgreich wie früher, bleibt für die frierende Mehrheit jeweils nur ein Trostpreis übrig.
Anarchismus: „Keine Eltern, keine Regeln, keine Grenzen!“
Das Ideal:
Absolute Freiheit! Jeder macht, was er will, ohne Einmischung von Erwachsenen. Man kann sammeln, tauschen, teilen oder einfach allein genießen – ganz wie man mag.
Die schlimme Realität:
Nach zehn Minuten vertreibt ein älteres Kind die Kleinen „Das ist meine Straße!“. Andere schaffen es leider nicht, ihre gefüllte Tasche nach Haus zu bringen, weil sich starke Neider nehmen, was sie wollen. Einige besonders Skrupellose gründen den Bonbon-Clan mitten auf der Kreuzung und plündern auch die starken Einzelgänger aus. Ohne Regeln sind die größten Tüten bei denen mit den lautesten Stimmen und den dicksten Ellenbogen.
Soziale Marktwirtschaft: „Sammeln nach festen Regeln“
Das Ideal:
Freiheit ja, aber mit Fairness: Kinder dürfen selbst oder in Gruppen sammeln, Strategien entwickeln und optimieren und stolz auf ihren Beutel sein. Doch es gibt Regeln: kein Wegnehmen, kein Wegschubsen. Der Einzelne entscheidet, wie lange man sammeln will. Jede Zehnte Süßigkeit aber geht in einen Gemeinschaftstopf für erfolglose, für kleine und für kranke Kinder.
Die alltägliche Realität:
Die Fleißigen behalten ihren dicken Beutel, die Pechvögel werden nicht vergessen. Niemand geht völlig leer aus und am Ende sind alle halbwegs zufrieden. Das Ergebnis: Motivation für eine Straße weiter zu laufen als nötig, Anerkennung für Erfolg, Unterstützung bei Misserfolg, Fairness im Miteinander – und keine Gewalt auf dem Bürgersteig. Oder wie man hierzulande weiß: es funktioniert eigentlich ganz gut.
Und als Fazit:
- Kapitalismus: Wer sich sputet, gewinnt maximal.
- Sozialismus: Wer sich sputet, hat trotzdem nicht mehr.
- Kommunismus: Wer sich sputet, hungert aber bekommt ein Lob.
- Anarchismus: Wer sich sputet, wird leicht zur Beute.
- Soziale Marktwirtschaft: Wer sich sputet, bekommt mehr als andere.
In diesem Sinne wünschen wir allen Kindern frohes Bonbon-Sammeln – nach hoffentlich sozial-marktwirtschaftlichen Regeln!
